„Europa in unbequemen Zeiten“ – Sigmar Gabriel beeindruckt bei Unternehmertagung von AGV Olpe und Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd

Olpe, 11. Juni 2025 – Rund 370 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Kommunen folgten der Einladung des Arbeitgeberverbandes für den Kreis Olpe e.V. und der Kreishandwerkerschaft Westfalen-Süd zur diesjährigen Unternehmertagung in der Stadthalle Olpe. Im Mittelpunkt stand ein hochaktueller Vortrag von Sigmar Gabriel, ehemaliger Vizekanzler und Bundesminister, Vorsitzender der Atlantik-Brücke, zum Thema „Europa in unbequemen Zeiten“.

Die musikalische Umrahmung übernahm in diesem Jahr das Schulorchester des Städtischen Gymnasiums Olpe unter der Leitung von Herrn Burghaus.

Wirtschaftliche Stärke trifft geopolitische Realität

Zu Beginn der Veranstaltung setzte Christopher Mennekes, Vorsitzender des Arbeitgeberverbandes Olpe, die wirtschaftliche Lage des Kreises in einen europäischen und globalen Kontext.

Eine Region im Herzen Südwestfalens, geprägt von hoher Industriedichte, starker Tarifbindung und niedriger Arbeitslosigkeit – insbesondere in der Metall- und Elektroindustrie. Doch diese solide Basis stehe laut Mennekes immer mehr unter Druck: Die Herausforderungen für Europa und die deutsche Wirtschaft würden existentieller – von Bürokratisierung, zu hohen Energiepreisen bis hin zum wahrnehmbaren Druck auf demokratische Strukturen in Europa.

Er warnte davor, Europa und die europäische Idee auf das derzeit wahrgenommene „Bürokratiemonster“ zu reduzieren, und betonte stattdessen die großen Errungenschaften der EU: Völkerverständigung, Demokratie, gemeinsame Qualitätsstandards, Binnenmarkt und eine starke gemeinsame Währung. Mennekes unterstrich, dass die Unternehmen in der aktuellen Lage eine handlungsfähige Politik bräuchten, die die Wirtschaft entlaste und Strukturreformen angehe: „Lassen Sie uns alle weiter dafür werben, dass eine starke und robuste Wirtschaft die beste Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes ist.“

Sigmar Gabriel: „Die Welt ist aus dem Takt geraten“

In seiner 80-minütigen Rede zeichnete Sigmar Gabriel ein eindrucksvolles Bild der aktuellen Weltlage. Mit dem Vergleich einer aus dem Takt geratenen Welt als „Orchester“ stellte er klar: Europa habe über 600 Jahre das Zentrum der globalen Handels- und Werteordnung gebildet – heute finde jedoch eine massive Interessenverschiebung in Richtung Indopazifik statt, wo zwei Drittel der Weltbevölkerung leben.

Die sogenannte Zeitenwende sei nicht nur Folge, sondern Ausdruck tieferliegender globaler Veränderungen: Die USA, traditionell wirtschaftlicher Hegemon und Garant für Frieden und Freiheit, zögen sich zunehmend aus dieser Rolle zurück. Allianzen, einst ihr Machtmultiplikator, würden hinterfragt – vor allem durch die Politik Donald Trumps. Gleichzeitig erhebe der globale Süden zunehmend seine Stimme und stelle die westlich dominierte Weltordnung infrage.

Europa, so Gabriel, müsse darauf mit strategischer Klarheit und weniger moralischer Überheblichkeit reagieren: „Werte nach innen, Interessen nach außen“ laute das Gebot der Stunde. Das bedeute auch, sich geopolitisch und verteidigungspolitisch neu aufzustellen: „Wer den Krieg verhindern will, muss sich auf ihn vorbereiten“, so Gabriel. Abschreckung und Dialog seien keine Widersprüche, sondern zwei Seiten derselben Medaille.

Sozialstaat als Chance – nicht als Stillstand

Deutliche Worte fand Gabriel auch zur innenpolitischen Lage. Der Sozialstaat sei eine zentrale Errungenschaft – er müsse jedoch Chancen ermöglichen und dürfe nicht zum Sozialhilfestaat degenerieren. Nur durch Eigenverantwortung, Leistungsbereitschaft und Bildung könne die Trennung von Herkunft und Zukunft gelingen.

Sein Appell an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft: Nicht „den Gürtel enger schnallen“, sondern „die Ärmel hochkrempeln“. Europa und Deutschland hätten schon weitaus größere Krisen gemeistert – und könnten auch diesmal gestärkt daraus hervorgehen.

Starker Auftritt mit nachhaltiger Wirkung

Der langanhaltende Applaus und die anschließenden Gespräche zeigten: Gabriel traf den Nerv des Publikums – mit Analyse, Klartext und Weitblick. Die Unternehmertagung 2025 in Olpe wurde damit einmal mehr zu einem Forum für konstruktiven Austausch über wirtschaftliche und politische Zukunftsfragen – regional verwurzelt, global denkend.